Samstag, 20. Oktober 2007

Die freenet-Vorstände und der Tod des MCM-Gründers

Am 4. September 2007 verstarb „Taschenkönig“ Michael Cromer, der Gründer der Reisegepäckmarke MCM. MCM war zu den Spitzenzeiten bekannter und begehrter als Louis Vuitton. Promis auf der ganzen Welt wie Prinzessin Diana, Cindy Crawford oder Michael Douglas zeigten sich stolz mit Cromers Kreationen. MCM betrieb eigene Flagship-Stores in den Metropolen wie New York, London, Paris und Tokio und hatte über Franchisenehmer ein weltweites Vertriebsnetz, mit dem mehrere hundert Millionen DM Umsatz pro Jahr erzielt wurden.Zum Zeitpunkt seines Todes besaß Cromer nichts mehr von dem, was er einst gemeinsam mit seiner Ehefrau Mara aufgebaut hatte.

1996 begann Cromers plötzlicher Absturz, nachdem eine anonyme, neunseitige Strafanzeige wegen Steuerhinterziehung gegen ihn erstattet worden war. Zunächst sollten es rund 40 Millionen DM sein, die er angeblich hinterzogen hatte. Vier Monate später sollten es in einer weiteren anonymen Strafanzeige sogar rund 110 Millionen DM sein. An Banken gingen anonyme Faxe mit dem Inhalt „Geben Sie Herrn Cromer keine Kredite mehr, er hat Steuern in Millionenhöhe hinterzogen.“ Zu dieser Zeit stand Cromer in Verhandlungen mit Banken über einen Kredit in Höhe von 11,2 Millionen DM. Das Unternehmen MCM befand sich in einer Schieflage. Graumarktimporte in Asien hatten dem Absatz schwer zugesetzt, aber die Lage war nicht hoffnungslos.
Doch die Strafanzeigen, die Ermittlungen der Steuerfahndung und falsche Berater führten dazu, dass Cromer sich aus Angst vor übereifrigen Staatsanwälten in die Schweiz begab. Von dort musste er nahezu hilflos mit ansehen, wie das von ihm geschaffene Weltunternehmen zerlegt wurde. „Die haben meine Firma ausgeschlachtet“, sagte Cromer später in einem Interview.

Die vier Banken Cromers hatten sich mittlerweile zu einem Bankenpool unter Führung der Reuschel-Bank zusammengeschlossen und drängten auch aufgrund der Strafanzeigen darauf, dass Cromer sich zurückziehe. Im November 1996 war durch ein Gutachten die Sanierungsfähigkeit von MCM festgestellt worden. Von einer existenziellen Krise war MCM weit entfernt. Dennoch verlangten die Banken die Verpfändung aller MCM-Markenrechte und ein Verwertungsrecht zu ihren Gunsten. Im Mai 1996 war durch ein Gutachten der Wert der MCM-Markenrechte mit 26,9 Millionen DM bewertet worden. Als Treuhänder für die Markenrechte wurde ein Münchener Anwalt eingesetzt.

In der Schweiz erhielt Cromer Besuch von dem Münchener Unternehmensberater Ludwig M. Schneider, der Cromer schon vor dessen Flucht in die Schweiz umgarnt hatte. Schneider stellte sich als erfahrener Sanierer vor. Er wisse, was zu tun sei, um MCM wieder nach vorne zu bringen. Cromers Banken bestanden ebenfalls auf einem Einsatz Schneiders.

Am 6. Dezember 1996 wurde zwischen MCM und Schneiders CMI Consult & Management International GmbH ein Beratungsvertrag abgeschlossen. Schneider erhielt demzufolge 3.600 DM Honorar pro Tag. Ein bis zwei seiner Mitarbeiter sollten ebenfalls zeitweise eingesetzt werden können und mit je 2.500 DM pro Tag abgerechnet werden. Von diesem Tag an nahm der Ruin von MCM seinen Lauf. 14 Monate später war das Unternehmen insolvent und die Berater um Schneider hatten nicht nur die MCM-Markenrechte für 15 Millionen DM an eine Schweizer Gesellschaft fast 50 Prozent unter Wert verkauft, sondern auch noch 4,1 Millionen DM an Honoraren und Spesen für ihre Zerschlagungsarbeit aus MCM herausgezogen, obwohl die Vereinbarung mit Schneider nur vorsah, dass bei Engpässen weitere Berater eingesetzt werden sollten. Zwei der „Sanierer“, die Schneider dabei unterstützten, waren die heutigen freenet-Vorstände Axel Krieger und Eckhard Spoerr. Für freenet-Vorstandschef Eckhard Spoerr war es der erste Einsatz für Ludwig M. Schneider und dessen CMI nach seiner Beraterkarriere bei Booz Allen & Hamilton. Axel Kriegers „Karriere“ bei Schneider hatte 1994, unmittelbar nach Beendigung seines BWL-Studiums, begonnen und er hatte sich bereits zur Position von Schneiders rechter Hand heraufgedient. Langjährige MCM-Mitarbeiter waren gekündigt worden, damit die Arbeit der damals 28-jährigen Jungsanierer mit 2.500 DM pro Tag abgerechnet werden konnte.

Die kompetenten Sanierer machten sich wie schon bei anderen Unternehmen zuvor (dazu später mehr) ans Werk, die Arbeit des bisherigen Managements in übelster Weise zu diskreditieren. Im Fall MCM wurde sogar eine PR-Agentur durch Schneider beauftragt, die die Presse gezielt mit Informationen versorgte, zum Teil sogar aus den Ermittlungen der Steuerfahndung, mit der Absicht, das Bild eines abgehobenen und verschwenderischen Firmengründers zu zeichnen, der durch seinen Hang zum Luxus das Unternehmen ruiniert habe. Vor der MCM-Belegschaft predigte Schneider dies ebenfalls mehrfach und wie zum Beweis las er die angeblichen Verfehlungen Cromers von einer Liste ab. Als eine MCM-Mitarbeiterin Schneider in einem unachtsamen Moment die Liste entriss, stellte diese sich als Einkaufszettel heraus. Als Cromer später, nach der Insolvenz von MCM, seinen alten Schreibtisch, an dem Schneider 14 Monate lang sein Unwesen getrieben hatte, durch einen Bekannten aus der Konkursmasse ersteigern ließ, war er eigentlich nicht mehr verwundert, als er in diesem ein Buch fand, das den Titel trug: „Handbuch der Sanierer“.

Diese und andere Anekdoten finden sich in dem Buch „Die Michael-Cromer-München-Story“, welches Cromer mit zwei Autoren in diesem Jahr fertig stellte und welches im Juli erschienen ist. Darin ist unter anderem beschrieben, wie die Sanierer sein Lebenswerk zerstörten, aber auch, wie Cromer das Unternehmen mit Weltruhm gemeinsam mit seiner Ehefrau Mara aufbaute. Weiter ist darin beschrieben, zu welchem nahezu lächerlichen Ergebnis die Ermittlungen der Steuerfahndung wegen der angeblichen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe kamen. Diese hatten schließlich dazu geführt, dass Cromer sich von 1996 bis 1999 in der Schweiz aufhielt, drei Jahre getrennt von seiner Familie und von seinem Unternehmen. 1998 erlitt Michael Cromer den ersten Aorta-Riss. Die Ärzte verordneten ihm absolute Ruhe. Unmöglich für Cromer, der aus der Schweiz nahezu hilflos mit ansehen musste, wie sein Lebenswerk zerstört wurde. 2002 folgte der nächste Aorta-Riss, der Cromer beinahe ins Grab brachte.

Wäre Cromer nicht im September, eigentlich auf dem Wege der Besserung, plötzlich verstorben, hätte er in den nächsten Wochen die Gelegenheit gehabt, seinen Namen wieder rein zu waschen, da in der Schweiz Belege aufgetaucht waren, die die Rolle der Sanierer in ein vollkommen anderes Licht rücken. Doch auch nach Cromers Tod existieren diese Belege, anhand derer sich die Öffentlichkeit nun ein eigenes Bild von den damaligen Vorgängen machen kann.

In der nächsten Folge erfahren Sie, welche Position die damalige Lebensgefährtin Axel Kriegers bei der Reuschel-Bank bekleidete und wie die Sanierer sich selbst an dem Schweizer Unternehmen beteiligt hatten, an welches sie die MCM-Markenrechte verramschten.