Samstag, 20. Oktober 2007

Weitere Plünderungen durch die MCM-Sanierer

Die Münchener Sanierer um Ludwig M. Schneider und seine CMI Consult & Management International GmbH hatten neben ihrer unrühmlichen Tätigkeit bei MCM auch andere Unternehmen beehrt.

Der Fall Carrera
1994 z. B. hielten sie Einzug bei Carrera, dem Nürnberger Spielwarenhersteller mit den bekannten Carrera-Bahnen. Der damalige Inhaber war ebenso wie bei MCM Michael Cromer durch eine anonyme Strafanzeige ins Visier der Steuerfahndung geraten und wurde in Untersuchungshaft genommen. Die Hypo-Bank in Nürnberg, die das Vorratsvermögen teilweise finanziert hatte, gab den Vorgang an die Zentrale in München ab. Dort saß ein Mitarbeiter, zu dem Ludwig M. Schneider gute Kontakte unterhielt. In der Untersuchungshaft wurde der Carrera-Inhaber von Schneider besucht, so wie dieser 1996 MCM-Gründer Michael Cromer in seinem Schweizer Exil aufsuchte. Schneider bot seine Dienste an und betonte dabei auch seine guten Kontakte zur Hypo-Bank. Dem Carrera-Inhaber blieb in seiner Situation kaum eine andere Möglichkeit und er willigte in einen Beratungsauftrag mit Schneiders CMI ein.

Die Hypo-Bank wollte, dass die CMI-Berater eine sog. Querschnittsanalyse erstellen. Schneiders Gehilfen bei diesem Auftrag waren der damals 29-jährige Holger Thomä sowie der damals 26-jährige Hochschulabsolvent Axel Krieger, heute Finanzvorstand der freenet AG und Mitglied im Hamburger Landesbeirat der Commerzbank AG. Aber auch Mitarbeiter der Hypo-Bank wirkten an der Erstellung dieser Analyse mit.

Die Sanierer begannen ihre Arbeit nach einem bekannten Schema: die Arbeit des bisherigen Managements wurde diskreditiert und die Lage des Unternehmens durch falsche Bilanzierungen überdramatisiert. Im Fall Carrera bedeutete dies, dass ein Warenbestand in Höhe von 1,4 Millionen DM vorhanden war, bewertet zu Einkaufspreisen. Zu Verkaufspreisen betrug dieser Wert ca. 4,5 Millionen DM. Die Sanierer nahmen in ihrer Analyse eine Abwertung des Warenbestands vor, jedoch zu Verkaufspreisen. Somit belasteten sie das Ergebnis außerordentlich hoch. Wenn dieses Vorgehen bei einer Bilanzerstellung angewendet worden wäre, hätte es sich um eine eindeutige Bilanzfälschung gehandelt. Insgesamt konstruierten die Sanierer einen Verlust von 23 Millionen DM.

Ludwig M. Schneider führte entsprechende Gespräche mit der Presse, in denen die Lage dramatisiert wurde. Statt sorgfältiger Sanierungsarbeit produzierten Holger Thomä und Axel Krieger enorme Kosten und kündigten wichtige Geschäftsbeziehungen wie z. B. den über eine Vertriebskooperation mit Tchibo.

Kurz vor Weihnachten 1994 wurde der damalige Carrera-Inhaber aus der Untersuchungshaft entlassen, da kein Verdachtsmoment begründet werden konnte. Für Schneider und seine Gehilfen überraschend tauchte dieser nun wieder im Unternehmen auf. Einen am 19. Dezember 1994 angesetzten Termin bei der Hypo-Bank nahm Schneider nicht wahr. Stattdessen erschien Axel Krieger mit einem jungen Anwalt der Münchener Kanzlei Weitnauer bei diesem Termin. Die vorgesehene Präsentation traute Krieger sich angesichts der Teilnahme des Carrera-Inhabers nicht mehr zu halten, sondern sprach stattdessen nur immer wieder davon, wie dramatisch die Geschäftsentwicklung sei.

Für den 23. Dezember wurde ein weiterer Termin vereinbart, bis zu dem der Carrera-Inhaber sich einen Überblick verschaffen und der Bank seine Sicht der Dinge darlegen wollte. Dies wurde durch Ludwig M. Schneider dadurch sabotiert, dass er am 22. Dezember für das Unternehmen einen Konkursantrag gestellt hatte. Der Carrera-Inhaber konnte den Amtsrichter gemeinsam mit seinem Steuerberater von der Solvenz seines Unternehmens überzeugen, jedoch musste der Konkursantrag von Schneider zurückgezogen werden. Unterdessen hatte Schneiders Anwalt Dr. Wolfgang Weitnauer mitgeteilt, dass sein Mandant bereit sei, den Konkursantrag zurückzuziehen, wenn der Carrera-Inhaber zuvor unterschreibe, dass er auf jegliche eventuell geltend zu machenden Schadensersatzansprüche gegen Ludwig M. Schneider verzichte. Einen vollständigen Überblick hatte dieser sich nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft noch nicht verschaffen können und in Anbetracht der damaligen Lage betrachtete er es als das geringere Übel, diese Erklärung zu unterzeichnen, um wieder die Kontrolle über sein Unternehmen zu erlangen. Erst am folgenden Tag stellte man in den ganzen Wirren fest, dass Schneider sich, aus welchem Kalkül auch immer, gar nicht als Geschäftsführer hatte eintragen lassen und dessen Zustimmung zur Abwendung des Konkursantrages nicht erforderlich gewesen wäre.

Der Hypo-Bank wurde später ein Dossier über Ludwig M. Schneider zur Kenntnis gebracht, in dem auch der besagte Schneider Freund und Mitarbeiter der Hypo-Bank Erwähnung fand. Die Inhalte dieses Dossiers wurden durch das Landeskriminalamt (LKA) Bayern bereits überwiegend bestätigt. Bei den Ermittlern des LKA ist Schneider kein Unbekannter. Zwei Wochen später war besagter Herr nur noch ein Ex-Mitarbeiter der Hypo-Bank.

Weitere „Sanierungsfälle“
Weitere Unternehmen in Süddeutschland, in denen die Sanierer der CMI Consult & Management International GmbH ihr Unwesen trieben, sind die Obletter Spielwaren GmbH in Nürnberg/München, die Goebel Porzellanmanufaktur in Rödental, die die weltbekannten Hummelfiguren herstellt, ein Flachglashersteller aus Würzburg, sowie der Chipkartenhersteller ODS Landis & Gyr. Keiner der damals Verantwortlichen in den Unternehmen hat gute Erinnerungen an Ludwig M. Schneider und seine Gehilfen. Fast immer kamen die Sanierer über die Banken ins Spiel. Fast immer endete der Einsatz mit einem Verkauf der Unternehmen oder von Unternehmensteilen, überwiegend in die Schweiz. Ein Unternehmensinhaber hat heute sogar noch Angst vor Ludwig M. Schneider. Seine Ehefrau war dem Charme Schneiders erlegen und hatte im Bett Firmendetails ausgeplaudert, die auch den Fiskus interessiert hätten. Schneider nutzte dies, um den Inhaber mit diesen Kenntnissen zu erpressen.

Die Zöglinge Schneiders
Fraglich ist, wie Schneider seine jungen Gehilfen rekrutierte. Im Fall der beiden heutigen freenet-Vorstände Axel Krieger und Eckhard Spoerr sind die Lebensläufe öffentlich bekannt. Wie sie aber Schneider bzw. die CMI kennen lernten, ist offen. Die CMI Consult & Management International GmbH betreibt keine Öffentlichkeitsarbeit und schreibt auch keine Stellenangebote aus, da Schneider keine festen Beschäftigungsverhältnisse anbietet. Mittlerweile führt Schneider auch keine Gespräche mehr mit der Presse, um die Unternehmen, in denen er tätig ist, zu diskreditieren, da die Presse mittlerweile mehr an Informationen zur Person Schneiders interessiert ist. Im Fall MCM wurde dafür eine PR-Agentur eingesetzt, die die Presse gezielt mit Fehlinformationen versorgte. Das Unternehmen CMI verfügt derweil nur über einen Telefonbucheintrag und für die Presse ist Ludwig M. Schneider nicht zu sprechen. Schneider gibt sich sehr geheimnisvoll. Axel Krieger begann seine Karriere bei Schneider unmittelbar nach dem Studium, obwohl ihm wie seinem Studienfreund Eckhard Spoerr sicherlich auch die Wege zu großen Unternehmensberatungen offengestanden hätten. Ebenso hätte er auch eine Karriere im Familienunternehmen machen können. Trotzdem wählte er den Weg in ein Beschäftigungsverhältnis ohne Sicherheit. Schneider muss sehr überzeugend vermittelt haben, welche finanziellen Perspektiven bei ihm und seiner CMI bestehen.

Auch Eckhard Spoerr schien drei Jahre später davon überzeugt zu sein, dass sein Studienfreund Krieger die bessere Wahl getroffen hatte und schmiss seinen Job bei der renommierten Unternehmensberatung Booz Allen & Hamilton, obwohl er dort angeblich zu einem der Stars gezählt haben soll. Dass er diesen Wechsel vollzog, weil er es spannender fand, für fast tote Unternehmen in wenigen Wochen Überlebenskonzepte zu entwickeln, anstatt bei Booz Allen & Hamilton große Konzerne zu beraten, wie er es einmal in einem Interview erzählte, darf bezweifelt werden. Dieser Wechsel war wohl eher dem schnöden Mammon geschuldet. Auch die öffentlichen Darstellungen, dass die beiden heutigen freenet-Vorstände sich als Sanierungsberater selbstständig machten, entsprechen insofern nicht ganz der Wahrheit.

Zeitzeugen der damaligen Vorgänge waren verwundert, als sie erfuhren, dass Eckhard Spoerr bei freenet die ranghöhere Position bekleidet und Axel Krieger eher zu einer Nebenrolle verpflichtet wurde. Zur damaligen Zeit war Krieger so etwas wie Schneiders Kronprinz. Das zeigt sich einerseits an den Geldbeträgen, mit denen die Sanierer sich bei dem MCM-Deal jeweils an der Corisol beteiligt hatten und andererseits daran, dass Axel Krieger sich 1999 als Gesellschafter und Geschäftsführer an einer neu gegründeten CMI Consult & Management International GmbH beteiligen durfte. Auch bei den „Sanierungsaufträgen“ war eine klare Rangfolge zu erkennen. 1997 bei MCM wurde Krieger Prokurist, während Spoerr nur eine Beraterposition bekam. 1998 bei ODS Landis & Gyr wurde Krieger Geschäftsführer, während Spoerr nur Prokurist wurde. Auch soll Krieger selten eine Gelegenheit ausgelassen haben, zu demonstrieren, welchen Rang er in der CMI-Hierarchie innehatte.

Spoerr schien von den Entwicklungsmöglichkeiten bei Schneiders CMI dennoch so sehr angetan zu sein, dass er auch seinen Schulfreund Eric Berger davon überzeugen konnte, seine bisherige Vertriebskarriere zu beenden und als „selbstständiger“ Sanierungsberater mit im CMI-Netzwerk einzusteigen. Auch seinen ehemaligen Kollegen von Booz Allen & Hamilton Christoph Bergner konnte Spoerr von einem Einstieg ins Sanierergeschäft überzeugen. Dieser gründete im Jahr 2000 die ominöse Schweizer Gesellschaft, die durch „Geschäfte“ mit freenet mindestens 70 Millionen Euro erhielt.

Demzufolge besteht der freenet-Vorstand heute zu 75 Prozent aus Zöglingen Ludwig M. Schneiders. Welche Positionen darüber hinaus mit Personen aus diesem Netzwerk besetzt wurden, wird noch herauszufinden sein.

In einem weiteren Punkt sind Axel Krieger und Eckhard Spoerr den alten Verbindungen auf jeden Fall treu geblieben. Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Weitnauer ist heute noch für beide freenet-Vorstände tätig, wenn es um delikate Angelegenheiten geht.